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Betriebliche Ökobilanzierung in der Entsorgungswirtschaft
Erfahrungen aus einem Rheinland-Pfälzischen Pilotprojekt

In der aktuellen wirtschaftlichen Diskussion finden umweltschutzbezogene Themen in Anbetracht schneller Marktveränderungen und anhaltend hoher Arbeitslosigkeit oft nur am Rande Aufmerksamkeit. Aktivitäten zur Realisierung des betrieblichen Umweltschutzes, die über gesetzliche Anforderungen hinausgehen, sind nach Meinung vieler Unternehmensverantwortlicher zwangsläufig mit Zusatzkosten verbunden und gelten daher in der heutigen Situation als „nicht machbar“. Bei genauerer Betrachtung bereits realisierter Maßnahmen kann jedoch von der einfachen Gleichung „Mehr Umweltschutz = Höhere Kostenbelastung“ keine Rede sein. Im Gegenteil: Die Integration von umweltbezogenen Aspekten in die Unternehmensführung kann mit Vorteilen auch auf der Kostenseite verbunden sein. Gekoppelt mit zusätzlichen positiven Auswirkungen, z. B. der Zukunftssicherung von Marktbeziehungen (insbesondere zu öffentlichen Auftraggebern), der Erhöhung der Rechtssicherheit (Risikomanagement) und dem Aufbau eines positiven Unternehmensbildes in der Öffentlichkeit, entwickelt sich Umweltmanagement im Hinblick auf die Unternehmensführung zu einem zukunftsorientierten Leitmodell.

Doch auch Veränderungen der betrieblichen Rahmenbedingungen zwingen zum Handeln. Neben immer strenger werdenden gesetzlichen Anforderungen kamen zuletzt von politischer Seite verstärkt Anreize zur Verwirklichung einer umweltfreundlichen Unternehmenspolitik. Beispiele sind die Umweltmanagementsysteme (UMS) nach den Normen DIN EN ISO 14001 oder EG-Öko-Audit-Verordnung. Den großen Erfolg der DIN EN ISO 9000 ff vor Augen, die zu einem durchschlagenden weltweiten Standard im Qualitätsbereich wurde, soll Umweltschutz durch Einsatz ökologisch orientierter Managementsysteme zu einem wesentlichen Bestandteil betrieblicher Geschäftsprozesse werden. Im Vordergrund steht die Verbesserung der eigenen Marktposition, auch hinsichtlich der bevorstehenden Besteuerung des Energieeinsatzes oder bei den von Industrieseite bevorzugten Selbstverpflichtungen.

Wesentlicher Bestandteil auf dem Weg zur Umsetzung eines UMS ist die Erstellung einer betrieblichen Ist-Analyse der Stoff- und Energieflüsse. So fordert beispielsweise die EG-Öko-Audit-Verordnung eine „systematische, regelmäßige und objektive Bewertung“ der betrieblichen Umweltleistung (Art. 1, Abs. 2(b)). Die betriebliche Ökobilanz, die in Form einer Input-Output-Analyse durchgeführt wird, eignet sich als Instrument für eine solche Ist-Analyse, da sie mit ihrem quantitativen und technischen Charakter eine systematische und objektive Bewertung ermöglicht. Die betriebliche Ökobilanz macht transparent, welche Stoffe in welchen Mengen in den Betrieb bzw. einzelne Teilprozesse eingehen und welche Produkte und Emissionen dabei entstehen. Sie ist Grundlage für eine umfassende und systematische Schwachstellenanalyse und -bewertung des Unternehmens mit dem Ziel, durch daraus abgeleitete strategische und operative Maßnahmen eine dauerhafte Reduzierung von Umweltbelastungen erreichen zu können.

Wesentliches Abgrenzungskriterium hinsichtlich der Aufstellung einer betrieblichen Ökobilanz ist die Definition des Bilanzraums. Umweltverbrauch und -auswirkungen können auf den gesamten Betrieb (Betriebsbilanz), einzelne Prozesse (Prozeßbilanzen) oder die erstellten Leistungseinheiten (Produktbilanzen) bezogen werden. Bei der Betriebsbilanz wird der Betrieb als eine „Black Box“ betrachtet, in die Stoff- und Energieströme als Einsatzfaktoren einfließen bzw. als gewünschte Produkte (oder Dienstleistungen) und als unerwünschte Emissionen austreten. Einzelne Verfahren, Maschinen und Geschäftsprozesse innerhalb des Betriebs bleiben bei der Ergebnisdarstellung zunächst unberücksichtigt. Um die Einsatz- und Ausgangsströme zu strukturieren, eignet sich der Aufbau eines aus dem Rechnungswesen abgeleiteten, nach Umweltmedien differenzierten, Kontenrahmens. Auf der Inputseite sind getrennte Konten für Liegenschaften, Umlaufgüter (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe), Energieverbrauch, Wasser- und Lufteinsatz zu bilden, auf der Outputseite jeweils für die beim Betriebsgeschehen anfallenden Produkte, Abfälle, Abwässer, abluftseitigen und sonstigen Emissionen. Auch positive Effekte wie die Nutzung der beim Betriebsprozeß abgegebenen Energie finden innerhalb der betrieblichen Ökobilanz im Kontenrahmen Eingang.

Ziel der betrieblichen Ökobilanz ist die Bestimmung des ökologischen Ist-Zustandes, um durch gezielte Maßnahmen dessen Verbesserung zu erreichen. Das vorhandene Datenmaterial dieser Ist-Analyse kann aber so umfangreich sein, daß der Blick auf die wesentlichen Handlungsparameter erschwert wird. Knappe, aussagekräftige Informationen „in der richtigen Form, in der richtigen Einheit am richtigen Ort zur richtigen Zeit“ sind für ein effektives Management entscheidend. Umweltkennzahlen verdichten die umfangreichen Daten der Ökobilanz auf eine überschaubare Anzahl aussagekräftiger Schlüsselinformationen und stellen eine komprimierte Dokumentation ökologisch relevanter Informationen dar. Sie ermöglichen dadurch eine schnelle Einschätzung der wesentlichen Schwachstellen und Fortschritte des betrieblichen Umweltschutzes und verdeutlichen die Ergebnisse der betrieblichen Ökobilanzierung. In welcher Weise die Aufstellung betrieblicher Ökobilanzen und daraus abgeleitete Kennzahlen speziell in der Entsorgungswirtschaft eingesetzt werden können, um ein UMS zu installieren, können Erfahrungen belegen, die im Rahmen eines 1997–1998 vom Ministerium für Umwelt und Forsten in Rheinland-Pfalz geförderten Pilotprojektes gemacht wurden. Vorrangiges Ziel dieses Pilotprojektes, bei dem 6 repräsentativ ausgewählte kommunale Betriebe der Entsorgungswirtschaft ein UMS nach EG-Öko-Audit-Verordnung aufbauten, war neben der Zertifizierung der Betriebsstandorte insbesondere das Aufzeigen von Kosteneinsparungen durch systematisches Umweltmanagement. Die betriebliche Ökobilanzierung bildet dafür die quantitative Grundlage. Ihre Bedeutung sowie die Erfahrungen, die die Entsorgungsbetriebe im Laufe des Pilotprojekts gemacht haben, werden im Rahmen dieses Beitrags vorgestellt.

Seiten 344 - 353

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1863-9763.1999.06.01
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1863-9763
Ausgabe / Jahr: 6 / 1999
Veröffentlicht: 1999-06-01
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