D. H. Lawrence: Mornings in Mexico and Other Essays. Ed. Virginia Crosswhite Hyde

Einer der einflussreichsten Anglisten der späteren deutschen Nachkriegszeit, der Erlanger Ordinarius Erwin Wolff, zugleich Spezialist im Bereich Klassizismus und Pionierfunktions- und kontextbezogener Herangehensweisen an Literatur, hatte stets ein ambivalentes Verhältnis zu D.H. Lawrence. Seine Einstellung entsprach wohl der bis vor einer Generation vorherrschenden akademischen Ansicht zu diesem so ungeheuer produktiven Verfasser von Lyrik, Kurzgeschichten, Essays, Reiseliteratur und vor allem Romanen. Wolff stellte in seinen viel beachteten Seminaren zur Literatur der Moderne, die er vor allem Anfang der 1980er Jahre abhielt, Lawrence neben andere Größen dieser Epoche, wie Ezra Pound, T. S. Eliot, Virginia Woolf oder James Joyce, deren Gemeinsamkeiten unter dem Oberbegriff der “Suche nach dem verlorenen Mythos” forschend umkreist wurden. Ein gewisses Unbehagen gegenüber Lawrence konnte der noch der späten Kriegsgeneration angehörende Anglist allerdings nie so recht verbergen. Zwar schätzte er dessen suchende Schöpfungskraft und erkannte Lawrences bahnbrechende Leistungen bei der Auseinandersetzung mit den Restriktionen des Viktorianismus. Er betonte die literarische Auseinandersetzung mit den in der Epoche des Modernismus virulent hervortretenden Einsichten der (Tiefen-)Psychologie. Aber die Neigung des britischen Vielschreibers zu Mystizismus, Esoterik, Exotismus, ja sogar Primitivismus, zu pantheistischen, animistischen und erotisch-sexuell verbrämten Weltanschauungen, Lawrences Suche nach strange Gods – dies alles war dem von der klassizistischen via media und dem angelsächsischen common sense überzeugten Anglisten dann doch höchst suspekt. Zumal wenn, wie im Roman The Plumed Serpent, deutlich Motive einer Helden- und Führerverehrung anklingen als Lösungsangebote für eine als zerebral, zerbrochen und entfremdet beklagte industrielle und ‘massendemokratische’ Moderne.

Seiten 207 - 209