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Eigentum am Fernwärmetransportsystem – Scheinbestandteil

§§ 95 Abs. 1 Satz, 226, 552 Abs. 1, 929, 997 Abs. 2, 1004 BGB, §§ 19, 33 Abs. 1 GWB

1. Verbindet ein schuldrechtlich Berechtigter Sachen – hier: ein Fernwärmetransportsystem – mit dem Grund und Boden, so spricht regelmäßig eine Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarung nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB zu einem vorübergehenden Zweck geschieht. Diese Vermutung wird nicht schon durch eine massive Bauart des Bauwerks oder eine lange Dauer des Vertrages entkräftet. Die dingliche Einordnung der eingebauten Sachen als Scheinbestandteile ändert sich nicht schon dadurch, dass das Recht zur Benutzung des Grundstücks später wegfällt. Für den Wechsel der Zweckbestimmung ist vielmehr entsprechend §§ 929 ff. BGB eine Einigung der Beteiligten erforderlich.

2. Ein Vertrag, dessen Regelungsziel alleine in der Gestattung der Wegenutzung für die Zwecke eines Fernwärmetransportsystems liegt und der keine Endschaftsregelung enthält, ist nicht ergänzend dahingehend auszulegen, dass der bisherige Fernwärmenetzbetreiber das Fernwärmenetz an den Wegeeigentümer zu übereignen habe.

3. Ein Anspruch des Wegeeigentümers auf Übereignung der Fernwärmeversorgungsanlagen nach Ablauf des Wegenutzungsvertrages ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung von § 552 Abs. 1, § 997 Abs. 2 BGB und auch nicht aus § 1004 Abs. 1 BGB.

4. Das Verlangen des Wegeeigentümers, nach Abschluss des Wegenutzungsvertrages die Fernwärmeversorgungsanlagen zu entfernen, verstößt nicht gegen das Schikaneverbot. Das wirtschaftliche Interesse des bisherigen Fernwärmenetzbetreibers, seine Kunden weiterzubeliefern, ist nicht geeignet, mithilfe des gegen die Folgen der Vertragsbeendigung erhobenen Schikaneeinwandes weiterreichende Nutzungsrechte zu erhalten, als sie vertraglich zugesichert wurden.

5. Eine Gemeinde, die in ihrem Gebiet ausschließlich selbst ein Fernwärmetransportsystem betreibt, ist nicht zur Vergabe von Wegenutzungsrechten nach Maßgabe des § 19 GWB verpflichtet. Schließt sie mit Dritten keine entsprechenden entgeltlichen Verträge, bietet sie keine gewerblichen Leistungen in Gestalt der Vergabe von Wegenutzungsrechten an und ist daher insoweit auch nicht unternehmerisch tätig.

6. Ein Kontrahierungszwang ergibt sich als Rechtsfolge aus § 33 Abs. 1 GWB nur, wenn es sich bei diesem um den einzigen sachgerechten Weg zur Beseitigung der unbilligen Behinderung handelt und der Abschluss eines solchen Vertrages selbst nicht gegen gesetzliche Verbote verstößt.

7. Bei der Abwägung der Interessen zur Frage, ob eine Behinderung unbillig ist, ist zu berücksichtigen, ob der geschützte Unternehmer die Belastungen, gegen die er sich wehrt, freiwillig übernommen hat. Er muss sich an den Konditionen eines unter Wettbewerbsbedingungen ausgehandelten Vertrages festhalten lassen.

(Leitsätze des Gerichts)

OLG Stuttgart, Urt. v. 26.03.2020 – 2 U 82/19
vorgehend: LG Stuttgart, Urt. v. 14.02.2019 – 11 O 225/16

DOI: https://doi.org/10.37307/j.2194-5837.2020.04.12
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 2194-5837
Ausgabe / Jahr: 4 / 2020
Veröffentlicht: 2020-07-14
Dokument Eigentum am Fernwärmetransportsystem – Scheinbestandteil