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Inkrustationsrisiko bei modernen Siedlungsabfalldeponien

In der Vergangenheit war es üblich, Siedlungsabfälle unvorbehandelt und hochverdichtet in Deponien einzubauen. Dabei wurden rasch mehrere Schichten aufeinander abgelagert. Dadurch entstand ein intensiver anaerober Abbau, den man theoretisch in zwei Schritte unterteilen kann. Im ersten Schritt werden großmolekulare Substanzen von anaeroben Bakterien, den sog. „Säurebildnern“, zu niederen organischen Fettsäuren (Buttersäure, Valedansäure etc.) umgebaut. Diese Säuren lösen aus dem Abfall Metall und Erdalkalimetalle, die mit dem Sickerwasser verfrachtet werden. Die Säuren bilden die Nahrungsgrundlage für die in der zweiten Phase aktiven methanbildenden Bakterien, die als Stoffwechselprodukt Methan (CH4) und Kohlendioxid (C02) erzeugen. Die methanbildenden Bakterien benötigen zum Aufbau einer größeren Population im Vergleich zu den säurebildenden Bakterien der ersten Phase mehr Zeit. Dadurch entsteht ein starkes Überangebot an organischen Säuren. Dieser Mechanismus spiegelt sich in den Analysen des Deponiesickerwassers wieder. Ein stark saures Sickerwasser weist pH-Werte zwischen 5,5 und 6,0 auf, wodurch Metalle leichter gelöst werden.

Theoretisch dürften in saurem Milieu keine Ausfällungen entstehen. Vielmehr müßten alle im Sickerwasser gelösten Stoffe ohne nennenswerte Verluste über das Entwässerungssystem aus der Deponie gespült werden, da das Siedlungswasser während der Passage durch das Entwässerungssystem „sauer“ bleibt. Dieses Wissen hatte dazu geführt, daß die Entwässerungsschichten aus beliebig gekörnten Material aufgebaut worden waren und als Entwurfskriterien nur der Durchlässigkeitsbeiwert nach Darcy benutzt worden ist. Ausfällungen wurden nicht erwartet und manchmal sogar bestritten. Daß es dennoch zu Ausfällungsprozessen kommt, resultiert aus dem Mechanismus, der in Abbildung 1 schematisch dargestellt ist.

Methanbakterien und Desulfurikanten besiedeln sowohl das Material (Kieskörner) der Flächenentwässerung als auch die Sammelrohre. Die ständige Zufuhr organischer Säuren mit dem Sickerwasser sorgt dafür, daß sich die Bakterien infolge des reichhaltigen Nahrungsangebotes sehr schnell vermehren. Auf der Zellmembran der Bakterie bildet sich infolge des Stoffwechsels eine alkalische Grenzschicht mit einem pH-Wert > 7. Dieses basische Mikromilieu sorgt für eine Ausfällung der in Lösung befindlichen Calcium- und Eisenionen direkt an der Zellwand der Bakterie. Ist die gesamte Bakterienzellwand bewachsen, stirbt die Bakterie. Die Kruste bildet dann die Oberfläche, auf der sich neue Bakterien ansiedeln können, die den gleichen Prozeß durchlaufen. Dieser stetig ablaufende Prozeß verringert kontinuierlich den Porenraum zwischen den Kieskörnern bzw. dem Rohrquerschnitt und endet mit dem völligen Verschluß der Entwässerungsschicht.

Je höher das Sickerwasser mit organischen Säuren belastet ist, desto besser entwickeln sich Mikroorganismen und desto stärker ist die Inkrustationsbildung. Dies ist ein natürlicher Vorgang und er wird bei der Ablagerung nicht vorbehandelter Abfälle mit unterschiedlicher Intensität in jedem Entwässerungssystem einer Deponie ablaufen. Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß das Material, aus dem die Inkrustationen entstehen, in dem Wasser gelöst ist. Filterkonstruktionen, die gegen partikuläre Stoffverlagerungen erfolgreich eingesetzt werden, versagen hier.

Die Verkrustungen können die Porenräume im Entwässerungsmaterial, die Rohrquerschnitte oder die Eintrittsöffnungen der Sickerwassersammler im Zeitraum von nur wenigen Monaten verschließen. In den Rohren entstehen massive, zusammenhängende, gesteinsähnliche Gebilde. Das umgebende Kiesmaterial der Entwässerungsschicht gleicht einem Magerbeton. Die anglo-amerikanische Terminologie bezeichnet diese Gebilde als bio-rock. Je nach Ausmaß der Inkrustationen kommt es zu teilweise meterhohem Wassereinstau im Deponiekörper, da das Entwässerungssystem infolge dieser Vorgänge ganz oder in Teilbereichen undurchlässig geworden ist.

Aus vielen Forschungsarbeiten mit gerotteten Siedlungsabfällen ist bekannt, daß das Sickerwasser aus gerotteten und anschließend hochverdichtet eingebauten Abfällen nicht zu Inkrustationen geführt hat. Da offensichtich ein Zusammenhang zwischen der Inkrustierung und dem Nährstoffgehalt (CSB, BSB5) des Sickerwassers besteht, soll in diesem Vorhaben systematisch untersucht werden, ob Dränwasser aus Deponien mit modernen Siedlungsabfällen (getrennte Bio-Sammlung, Abfallbehandlung) noch zu lnkrustationen führt.

Seiten 654 - 663

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1863-9763.1999.11.02
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1863-9763
Ausgabe / Jahr: 11 / 1999
Veröffentlicht: 1999-11-01
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Dokument Inkrustationsrisiko bei modernen Siedlungsabfalldeponien