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Murray Levith: Shakespeare in China

Murray Leviths Shakespeare in China richtet sich an eine englischsprachige Leserschaft und bietet sowohl Studierenden als auch Lehrenden einen historischen Überblick über die Bühnenadaptionen von Shakespeare-Stücken im 20. Jahrhundert in der VR China. Zugleich ist der Band auch persönlicher Bericht der Chinareise des Autors, angereichert mit Photographien, die ihn zusammen mit chinesischen Akademikern zeigen. Ferner finden sich Exkurse zu Shakespeare-Adaptionen auf den Bühnen Hongkongs und Taiwans. Das Buch entstand aufgrund der China-Begeisterung seines Autors und ist als grundlegende Einführung in das Thema ein Beitrag in die international anwachsende Shakespeare-Forschung.

In seiner Einleitung stellt Levith den Gedanken, dass Shakespeare ein sozialökonomisches Exportprodukt aus dem imperialistischen Westen sei, der fremden Kulturen Geringschätzung entgegen gebracht oder diese auszunutzen gesucht habe, der Tatsache gegenüber, dass verschiedene Völker, wie beispielsweise die Han-Chinesen Shakespeare adaptiert haben, um ihn für ihre eigenen Ziele nutzbar zu machen. Kapitel 1 widmet sich den frühen Shakespeare-Adaptionen in China vor 1949, dem Gründungsjahr der VR China. Dabei stehen Übersetzungen und Kritiken im Mittelpunkt. Kapitel 2 trägt den provokativen Titel “Shakespeare und Mao”: Es zeigt, wie Mao Zedongs Ideen eines literarischen Pragmatismus den ohnehin schwierigen Prozess der interkulturellen Übersetzung negativ beeinflussten. Levith untersucht hier die Auswirkungen von Maos “Reden bei der Aussprache in Yenan über Literatur und Kunst” [es müsste Yan’an heißen] auf chinesische Shakespeare-Übersetzungen der Jahre 1949 bis 1966. In Kapitel 3 teilt Levith seine Gedanken zur Kulturrevolution und Shakespeare mit. Es geht ihm um die Ähnlichkeit zwischen Heinrich V und der revolutionären Modelloper Mit taktischem Geschick den Tigerberg erobert [Taking Tiger Mountain], sowie um die anti-westliche Haltung Chinas ebenso wie um die Beziehungen der amerikanischen Journalisten Lois Wheeler Snow und Edgar Snow zur chinesischen Regierung nach dem Ende der Kulturrevolution. In Kapitel 4 wird das nach der Kulturrevolution wieder auflebende Interesse an Shakespeare nachgezeichnet, indem Konferenzen, Festivals, Übersetzungen und Kritiken vorgestellt werden. Levith muss hier freilich feststellen, dass selbst nach der Kulturrevolution die Shakespeare-Kritik den immer noch selben “ermüdenden und dogmatischen Mustern marxistischer Literaturkritik” folgt und damit flach bleibt. Levith zitiert hierzu He Qixin, einen Akademiker aus der VR China mit seiner Beurteilung der chinesischen Shakespeare-Kritik, welche sehr oft das Wesentliche und die dramatische Kraft der Stücke verfehle. In Kapitel 5 richtet Levith sein Augenmerk auf Hongkong und Taiwan, auf Shakespeare-Übersetzungen und Aufführungen in den beiden Inselgesellschaften. Er kommt zu dem Schluss, dass “Hongkonger Shakespeare-Adaptionen vom selben Professionalismus und derselben Theaterauffassung geprägt sind wie britische oder amerikanische Aufführungen des neuen Jahrtausends” und dass taiwanische Adaptionen “eine postmoderne Flexibilität zeigen […] und globale Modernität besitzen”. Kapitel 6 ist mit “Shakespeare und Konfuzius” überschrieben. Der Autor versucht zu zeigen, dass entgegen westlichen Erwartungen, wonach Konfuzius einen starken Einfluss auf die chinesischen Shakespeare-Interpretationen gehabt haben dürfte, bis heute nur sehr wenige Gedanken chinesischer traditioneller Philosophie in Shakespearekommentaren zu finden seien. Kapitel 7 schließlich berichtet vom Paradox der Shakespeare-Adaptionen im neuen China, die den Dramatiker meist für eigene ästhetische und ideologische Ziele eingespannt haben. Levith vergleicht die Situation von Shakespeare in China mit “Shylock in Venice, a sometimes useful but potentially dangerous ‘fly through the open door’ that can threaten to disrupt cultural and political values.”

Seiten 441 - 444

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2008.02.28
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1866-5381
Ausgabe / Jahr: 2 / 2008
Veröffentlicht: 2008-12-15
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Dokument Murray Levith: Shakespeare in China