• Schreiben Sie uns!
  • Seite empfehlen
  • Druckansicht

Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jahrhunderts

Es ist schon etwas Besonderes, wenn mit einer einzigen Publikation ein so eklatantes Desiderat auf einen Schlag derart nahtlos erfüllt wird, wie es Horst Brunner und Karl- Günther Hartmann mit ihrer 2010 erschienenen Edition aller Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jahrhunderts gelungen ist. Die Zahl der sprichwörtlichen “Fliegen”, die mit dieser einen “Klappe” im übertragenen Sinne geschlagen werden, hat Schwarmgröße: Schon mit dem Titel beginnt eine Reihe von Denkanstößen, die von der vorliegenden Veröffentlichung ausgehen. Anstatt weiterhin den sperrigen Gattungsbegriff “Sangspruchdichtung” zu bemühen, der das Œuvre von einer textbasierten, germanistischen Perspektive aus beleuchtet, entschieden sich die beiden Herausgeber, den Spieß umzudrehen und das behandelte Genre mit einem Fokus auf seine performativen Aspekte dem ‘Minnesang’ als ebenbürtiges Aufführungsphänomen zur Seite zu stellen: Der Terminus ‘Spruchsang’ ist Ausdruck dieses neuen Blickwinkels. Er könnte letztendlich helfen, den “ungeliebten Bruder” des Minnesangs endlich aus seinem Schattendasein zu erlösen und für die praktische und ästhetische Beschäftigung aufzuschließen, mit anderen Worten: für die Aufführungspraxis “salonfähig” zu machen. Eine solche Aufwertung für die musikwissenschaftliche und praktisch-musikalische Beschäftigung ist äußerst sinnreich, denn: “Das hier erstmals vollständig herausgegebene Tönerepertoire ist das älteste umfangreiche Melodiekorpus der deutschen Liedgeschichte” (S. XIII). Das heißt: im Gegensatz zum von Musikwissenschaft und -praxis bislang bevorzugten Minnesang gibt es hier tatsächlich einmal jede Menge Musik, die Gegenstand von Betrachtung und Aufführung sein kann. Und natürlich ist diese Umdeutung der Terminologie für die Edition programmatisch, denn hier geht es nicht in erster Linie um Texte, sondern um Melodien – also die Grundlage des “Sangs”. Es bleibt zu hoffen, dass diese Neuprägung des Gattungsbegriffs Schule machen wird.

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2012.02.22
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1866-5381
Ausgabe / Jahr: 2 / 2012
Veröffentlicht: 2012-12-14
Dieses Dokument ist hier bestellbar:
Dokument Spruchsang. Die Melodien der Sangspruchdichter des 12. bis 15. Jahrhunderts