• Schreiben Sie uns!
  • Seite empfehlen
  • Druckansicht

Strafrechtliche Aspekte der Compliance in Kreditinstituten

Compliance-Systeme und die zunehmende Entwicklung einer Kultur von Compliance in Kreditinstituten sind nicht primär von zivilrechtlichen Fragen geprägt. Auch und gerade aus den strafrechtlichen Rahmenbedingungen der Geschäftstätigkeit von Kreditinstituten folgt die zwingende Notwendigkeit, ein derartiges System zu errichten und zu pflegen. Die Rechtsgrundlage für die Pflicht zur Einrichtung eines Compliance-Systems ist umstritten. Das LG München I hat im Jahr 2013 im Siemens/Neubürger-Urteil entschieden, dass die mangelhafte Einrichtung eines Compliance-Systems bzw. dessen unzureichende Überwachung Pflichtverletzungen der einzelnen Vorstandsmitglieder Pflichtverletzungen darstellen. Damit bejaht die Rechtsprechung eine Rechtspflicht. Der Gesetzgeber hat an vielen Stellen Überwachungs- und Aufsichtspflichten für Leitungspersonen geregelt, deren Verletzungen sanktionsbewährt sind. Zu nennen ist § 130 OWiG, wonach sich in Verbindung mit § 9 OWiG bestimmte Führungskräfte ahnbar machen können, wenn sie die zur Vermeidung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten erforderlichen Aufsichtspflichten nicht einhalten. Auch spezialgesetzlich existieren Regelungen: Während § 91 Abs. 2 AktG für Aktiengesellschaften die Pflicht zur Einrichtung eines Überwachungssystems zur Erkennung von unternehmensgefährdenden Entwicklungen regelt, betrifft § 80 Abs. 1 WpHG die Einrichtung einer Compliance-Funktion in Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion werden von der BaFin in dem Rundschreiben 5/2018 (MaComp) konkretisiert. Die Berührungspunkte zwischen Compliance und Strafrecht sind gerade im Banken- und Finanzsektor vielfältig und ausgeprägt. Zum einen bestehen für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute umfangreiche gesetzlich definierte Compliance-Vorgaben mit detaillierten Kontroll-, Dokumentations- und Mitteilungspflichten, deren Verletzung in der Regel mit Geldbußen sanktioniert wird. Zum anderen entscheiden die Compliance-Richtlinien des Unternehmens, ihre Ausprägung ebenso wie ihre Einhaltung oder Nichteinhaltung, darüber, ob die allgemeinen straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorschriften zur Anwendung kommen. Das reicht von der Verhängung einer Geldbuße gegen Führungskräfte wegen Verletzung der Aufsichtspflicht im Unternehmen (vgl. 1.1.1.2) bis zu der Frage der Pflichtwidrigkeit eines Verhaltens im Rahmen des Straftatbestandes der Untreue (vgl. 2.1). Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Kundenkontakte auch zu der steuerstrafrechtlichen Verantwortlichkeit der Mitarbeiter im Finanzinstitut führen können (vgl. 2.2). Besondere Vorsicht für den Bankmitarbeiter ist auch dann geboten, wenn das Geld, welches der Bankkunde anlegen möchte, aus einer Straftat stammt. Eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche liegt hier nicht fern (vgl. 2.3). Daneben kommen Marktmissbrauch und Verstöße gegen das KWG in Betracht (vgl. 2.4 und 2.5). Schließlich zeigt sich ein besonderes – durch Einführung des Geschäftsherrenmodell (§ 299 StGB) im Jahr 2015 noch verschärftes – Strafbarkeitsrisiko für den Bankmitarbeiter im Bereich der Korruption (vgl. 2.6).

Seiten 205 - 256

Dokument Strafrechtliche Aspekte der Compliance in Kreditinstituten