Das Genus der Substantive – Überlegungen aus der fremdsprachlichen Lern- und Erwerbssicht

Dem Beitrag liegt die Annahme zugrunde, dass dem Genus der Substantive zu Beginn des DaF-Lernprozesses eine zu geringe bzw. zu eindimensionale Bedeutung beigemessen wird, was dazu führt, dass es in seiner Tragweite unterschätzt wird. Die Lernenden gelangen spät zu dieser Erkenntnis, wenn möglicherweise weite Teile des substantivischen Wortschatzes bereits „genusfrei“ gefestigt sind, und oft erst zu einem Zeitpunkt, zu dem die Genusinformation zur Realisierung komplexerer Strukturen im Nominalbereich als gefestigt vorausgesetzt wird. Das Resultat ist dann eine kognitive Überlastung im Sinne einer Überforderung der Lernenden sowohl bei der Verarbeitung als auch bei der Anwendung von Flexionswissen, die dann zu Normabweichungen führt.

Diese stellen ein kommunikatives Problem dar, wenn sie zu Missverstehen führen, ein evaluatives, wenn sie bei der institutionellen Leistungsfeststellung berücksichtigt werden, ein psychisches, wenn sie das Selbstbildnis des lernenden Individuums und Sprachverwenders beeinträchtigen. Eine Erweiterung der Perspektive von der Genusbestimmung auf das kontextuelle Umfeld sowie die Stützung durch gezielte metakognitive, metasprachliche und sprachliche Materialien im Anwendungsbereich können die Lernenden dagegen befähigen, das grammatische Phänomen frühzeitig in seiner gesamten Tragweite zu erkennen, um bereits zu Beginn des Lernprozesses die entsprechende Motivation zu entwickeln, die nötig ist, um sich dem Genus in adäquater Weise zu widmen.

Den Ausgangspunkt des Beitrags bildet eine synthetische Bestandsaufnahme der in didaktischen Grammatiken 2 geleisteten Informationsarbeit. Anschließend werden einige linguistische Merkmale der Kategorie näher beleuchtet und ihre Relevanz aus der Lern- und Erwerbssicht ermittelt. Das Ziel dabei ist, didaktisch ungenützte Stellen sichtbar zu machen, die den Lernprozess im gesamten Nominalbereich effizienter und lerngerecht gestalten könnten.